08. – 09.12.2013, Ashburton

Ashburton, so viel kann ich vorab sagen, ist auch ein recht kleiner Ort. Selbst der Besitzer des Motels, als ich ihm sagte wo es als nächstes hingehen würde, fing an zu lachen und meinte zu mir, dass dort doch nichts wäre. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich auf Twizel oder Ashburton tatsächlich hätte verzichten können, nicht weil die Städte vielleicht nicht ansehnlich gewesen wären, nein, einfach weil die Distanz zu Christchurch, meinem letzten Ziel, nicht so weit war wie anfangs gedacht. Aber wenn man einen Urlaub durchplant und bedenkt, dass man das erste Mal links fährt und sich im Land einfach gar nicht auskennt, geht man lieber auf Nummer sicher. Besser ist das.

(Bilder gibt es hier)

Auf meinem Weg Richtung Ashburton wollte ich mir Twizel unbedingt etwas näher anschauen und fand durch den Lageplan, den ich im Motel erhalten hatte, den „Lake Ruataniwha“. Hier trainieren vor allem die örtlichen Kanu Clubs. Als ich mir den See ansah waren diese auch gerade beim Training. Das Wetter war wirklich perfekt dafür. Es waren um die 20 Grad und es sollte noch wärmer werden. Am See selbst, zumindest verriet mir dies ein Schild, gab es auch eine Art Lagune, zu der ich ebenfalls fuhr. Wenn schon, denn schon. Der Weg führte mich über Stock und Stein. Aber das Plätzchen, an dem ich ankam, war wirklich sehr schön. Niemand war dort, nur die Sonne, der Wald, das Wasser und ich. Man konnte seine Gedanken einfach schweifen lassen. Der See war an dieser Stelle nicht sonderlich groß, aber dafür war er fast ausschließlich von Wald umgeben, was ein großer Gegensatz zu dem war, was ich bisher gesehen hatte. Als ich wieder ins Auto stieg fiel mir das erste Mal richtig auf, wie braun ich eigentlich schon geworden war. Nein, nicht durch den Halt am See. Wäre ja noch schöner, wenn es so einfach wäre. Interessant war, dass vor allem die Hand, die im Auto immer an der Fensterseite war, deutlich gebräunter war als die andere. Da soll mal einer sagen, dass man im Auto nicht braun werden kann. Ab sofort sonne ich mich nur noch im Auto.

Mein Hauptziel an diesem Tag bestand aus dem „Mount Cook“. Definitiv etwas, das ich mir aus der Nähe ansehen wollte. Leider wurde auf dem Weg dahin das Wetter immer schlechter. Hier und dort richtig starke Schauer, aber einen Mit-dem-Auto-Reisenden kann das nicht aufhalten. War ja zum Glück nicht mit dem Fahrrad unterwegs. Wieso ich auf Fahrrad komme? Als ich die Strecke zum „Mount Cook“ fuhr, welche ca. eine Stunde mit dem Auto dauerte, fuhr ich an einigen vorbei, die dort mit dem Fahrrad unterwegs waren. Auf der Straße konnte man eigentlich nicht viel mehr erreichen als den „Mount Cook“ und andere Bergpässe. Das bedeutete auch für mich, die selbe Strecke später auch wieder zurück fahren zu müssen. Auf dem Weg machte ich etliche Male Stopp, da ich immer wieder Dinge und Aussichten entdeckte, die nach meiner Anwesenheit verlangten. So kam ich zum Beispiel auch an einem Feld mit Kühen vorbei. Ja, klar, die gibt es auch reichlich in Deutschland, aber diese hier hatten Kälber, so dass es eine logische Konsequenz war dort anzuhalten. Tja, die Kühe waren genau so drauf, wie die Schafe, sie sahen mich an als wollten sie mich am liebsten fressen. Vielleicht sind die Tiere hier „stärker“, weil sie den Menschen gegenüber deutlich in der Überzahl sind? Je weiter ich kam, desto verschneiter waren die Spitzen der Berge, was wirklich schön war. Der Anfang der Strecke war auf beiden Seiten mit Feldern und kleinen bis sehr großen Bergen geschmückt, je weiter man fuhr, desto mehr offenbarte sich. So dauerte es nicht lange, bis rechts von mir der „Lake Pukaki“ auftauchte. Ein riesiger See, der mich fast die gesamte Strecke begleitete. Der See hat eine wunderschöne Färbung. Türkis und ist dafür auch ausreichend bekannt. Aber, so muss ich zugeben, das interessanteste waren zwei Vögel, eindeutig als Fasane oder zumindest eine Gattung derer zu erkennen. Ich hatte sie eigentlich nur durch Zufall entdeckt, weil sie kurz vor meinem Auto über die Straße liefen. Ich stieg aus um einige Fotos zu machen. Ein weiteres Auto hielt an und verfolgte einen der beiden mehr oder weniger mit eben diesem um ebenfalls Fotos schießen zu können. Nachdem jegliches Pfeifen versagte fuhr das Auto weiter. Ich jedoch harrte aus und war sehr erstaunt über das, was ich dann zu sehen bekam. Die zwei liefen ständig hintereinander her und blieben dann auf einmal stehen. Sahen sich mit tiefstem Blick an und kämpften miteinander. Es war keineswegs ein Kindergartenkampf, nein, es wurden auch Krallen eingesetzt. Entweder flogen beide in der Luft oder nur einer. Die Flügel wurden gespannt und dann wurde erneut angegriffen. Das ging minutenlang. Irgendwann hörten sie auf. Der, ich nenne ihn mal „Schwächere“, lief über die Straße hinweg, der andere aber folgte ihm auf Schritt und Tritt. So sahen sie wirklich friedlich aus. Liefen miteinander den Weg entlang, aber kurz darauf blieben sie wieder stehen und das selbe Spiel begann von vorne. Wer letzten Endes gewonnen hat, kann ich nicht sagen, da sie irgendwann in den angrenzenden Büschen verschwanden. Als sie nicht mehr zu sehen waren stieg ich wieder ins Auto und setzte meinen Weg fort. Wieder hielt ich an etlichen Punkten, an denen es auch nur irgendwie möglich war. An einer Stelle entdeckte ich einen Gletscher. Er war recht weit von mir entfernt, aber erkennen konnte man ihn und ich muss sagen, dass mir dieser wirklich gut gefallen hat. Die ganze Szenerie gefiel mir richtig gut. Die tiefhängenden Wolken, die Landschaft, die den Gletscher umgab und das Licht, welches gerade auf die Spitze des Berges fiel. Als wäre genau diese Komposition entstanden, weil ich dort stand. Je weiter mich die Straße führte, desto mehr konnte man auch vom „Mount Cook“ sehen. Ein wirklich monströses Gebirge, welches am Horizont in der Mitte der Straße auftauchte und mit Schnee über und über bedeckt war. Als ich dann nach etlicher Zeit, – ich war definitiv mehr als zwei Stunden unterwegs gewesen für eine Strecke, die normalerweise eine Stunde dauert, immer diese bösen Stopps -, am „Mount Cook“ ankam war ich sprachlos, denn eine starke Kühle verbreitete sich über dem Parkplatz. Man konnte den Schnee förmlich riechen und spüren. Da es bereits am frühen Nachmittag war – was halte ich auch immer so oft an und genieße die Aussicht 😉 – entschied ich mich dazu keine zu große Runde zu laufen, lag aber auch daran, dass das Lawinenschild am Anfang des Parkplatz davor warnte am heutigen Tag große Wanderungen zu unternehmen, da hohes Lawinenrisiko bestehe. Leider fingen auch fast alle Strecken erst bei mehr als zwei Stunden an und ich musste ja auch noch den kompletten Weg zurück fahren und dann weiter nach Ashburton düsen, auf dessen Weg ich noch einen größeren Stopp geplant hatte. Deswegen ging ich zum „Alpine Memorial“. Gut 15 Minuten vom Parkplatz entfernt. Am Ziel angekommen stand dort eine Art Pyramide, an der diverse Schilder angebracht waren. Schilder, auf denen Namen und Geburtsdaten standen. Außerdem darauf zu finden, wann diese Person am „Mount Cook“ verstorben war. Einige waren alleine unterwegs gewesen. Andere wurden von einer Lawine überrascht und wieder andere fielen in Spalten und ließen ihr Leben. Es waren viele erfahrene Bergsteiger dabei, aber auch sehr viele „Neue“, ältere wie auch jüngere Personen. Also ja, der „Mount Cook“ sah nicht nur auf eine wunderschöne Art und Weise bedrohlich aus, er war es auch. Als ich mir die Schilder ansah traf ich einen Mann aus England. Er war, so würde ich schätzen, mit Sicherheit über siebzig, vielleicht auch um die achtzig Jahre alt. Durch die Schilder kamen wir ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er gerade vom Berg zurückgekommen wäre und für einen Weg von drei Stunden nur die Hälfte gebraucht hätte. Ist bestimmt gelaufen? 😉 Aber sehr bemerkenswert. Er erzählte mir dann, als er erfuhr, dass ich aus Deutschland sei, dass sie damals auf einer Farm eines Deutschen gelebt hätten als er ein kleines Kind war. Seine gesamte Familie. Sein Vater wurde dort von einem Bullen angegriffen und fast von diesem umgebracht, aber der Deutsche, dem die Farm gehörte, rettete sein Leben und brachte das Tier um. Als er mir dies erzählte konnte man sehen, wie ergriffen er war und das sich seine Augen mit Tränen füllten. Er meinte, dass sein Vater ab diesem Tag nicht gut auf den Deutschen zu sprechen war und ihm die Schuld daran gab, dass dies passiert war. Am Ende sorgte er dafür, dass der Deutsche samt Familie zurück nach Deutschland musste. Zurück nach Ostdeutschland als Krieg herrschte. Was danach passierte möchte man sich gar nicht ausmalen, aber selbst wusste er es nicht. Er wusste nicht, ob die Familie noch lange gelebt hatte oder ihnen was zugestoßen war. Mir gegenüber gab er zu, dass er damals sehr wütend auf seinen Vater gewesen war und es heute noch ist, wenn er daran denkt, was passiert war obwohl der Deutsche seinem Vater das Leben gerettet hatte. Wir unterhielten uns noch einige Zeit und er erzählte mir voller Stolz von seinen Enkeln und Urenkeln. Irgendwann mussten wir unser Gespräch allerdings beenden, da er zurück zu seinem Bus musste. Wir wünschten uns noch eine weitere tolle Reise und verabschiedeten einander. Solche Treffen sind immer die schönsten. Man erwartet nichts und trifft interessante Menschen. Menschen, deren Geschichte einen mitnehmen und die einen packen. Erlebnisse, die man hoffentlich nie vergisst.

Auf meinem Weg zurück hielt ich noch mehrmals am „Lake Pukaki“ und war so erstaunt über seine türkise Färbung, immer noch. Ein solches Türkis hatte ich wirklich noch nie gesehen. Es schien fast so als habe jemand seine Wasserfarben in den See geschüttet. Das tolle am Rückweg war, dass ich tatsächlich nochmal einen der Fasane gesehen habe natürlich ohne Wissen, welcher es war. Den Zweiten habe ich jedenfalls nicht mehr erblicken können.Am Aussichtsplatz des „Lake Pukaki“, an dem ich anschließend vorbeifuhr, war auch eine große asiatische Reisegruppe unterwegs und einer von ihnen bot mir freundlicherweise an Fotos von mir und dem See zu machen. Eins muss ich festhalten, wenn man alleine unterwegs ist, trifft man einfach immer auf hilfsbereite Menschen. Aber generell hatte ich das Gefühl, dass man gerade in Neuseeland jeden hätte fragen können wegen einem Foto. Niemand hätte „Nein“ gesagt.

Mittlerweile war es stark windig und es regnete wie aus Eimern. Dennoch ließ ich mir die Gelegenheit nicht nehmen an einem Lupinenfeld Halt zu machen. Lupinen habe ich so viele in Neuseeland gesehen wie noch nie zuvor in Deutschland. Ein kleiner Tümpel, vielleicht auch ein kleiner mini See, komplettierte das Feld und machte den Ausblick perfekt. Die Schafe auf der anderen Straßenseite trugen dazu absolut nichts bei … okay, ich gebe es zu, das war gelogen. So viele Schafe, wie ich hier fotografiert habe, habe ich in meinem ganzen Leben nicht. Da muss man erst in ein anderes Land reisen um die Schönheit solcher Dinge begreifen zu können. Aber ich glaube auch, dass auch das Umfeld, das Drumherum, viel mit der Auffassung zu tun hat. Mit dem, wie man etwas sieht. An der „Church of the Good Shepherd“ in der „Lake Tekapo Village“ (Mackenzie Country) hatte man einen wunderbaren Blick auf den „Lake Tekapo“, welcher ebenfalls eine prächtige türkise Färbung trägt, allerdings ist die des „Lake Pukaki“ deutlich heller und auffälliger und auch anziehender 😉 Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass man aus dem Fenster der Kirche einen prächtigen Blick auf den See werfen kann. Leider war ich dafür genau 12 Minuten zu spät, denn die Kirche schloss um 17 Uhr. Tja, dann wohl das nächste Mal. Auch hier standen wieder reichlich Lupinen. Was ich ganz besonders schön daran fand, dass diese im größten Teil im Farbspektrum von rosa und violett zu Hause waren. Hier und dort konnte man auch andere Farben entdecken, aber dies war wirklich eine Seltenheit.

Nach vielen, vielen Stunden kam ich dann endlich in Ashburton an. Nun, der Motelbesitzer in Twizel hatte zumindest teilweise recht gehabt, aber eins war klar, in Ashburton gab es deutlich mehr als in Twizel, schon alleine was die Restaurants und andere Geschäfte anging. Hier gab es sogar Einkaufspassagen. Aber vielleicht ist dies ein kleiner Kampf wie mit Düsseldorf und Köln, total unnötig und übertrieben. Beide Orte hatten ihren eigenen Charme und mehr muss man dazu auch nicht sagen. Der grönende Abschluss des Tages war auf jeden Fall der Zettel, der in meinem Zimmer hing. Eine dicke fette Erdbebenwarnung und wie man sich bei einem solchen Vorfall am besten verhalten sollte. Und mit dem Wissen, dass dort auch Erdbeben an der Tagesordnung zu sein scheinen, sage ich nun „Danke, Ashburton, das du mich aufgenommen hast und das der Weg bis zu dir so wunderschön war. Und keine Angst, du bist keineswegs uninteressanter als Twizel. Seid beide gleich auf, Twizel hat mir einen wunderbaren Geburtstag beschert und du einen angenehmen Ausklang eines prächtigen Tages und für eine Übernachtung seid ihr es alle Male wert.“

Nessi

Egal ob per Flugzeug, per Auto oder zu Fuß. Der frühe Vogel kann einpacken. Es geht ab nach Australien und Neuseeland. Wooohooo, ich komme!!!

4 Kommentare

Sanis Freund

about 10 Jahren ago Antworten

Ha! Erster! Ätsch Mama :-) ......und ja Nessi du bekommst du 15 € falls nicht einer vor mir auf absenden drückt! :-) Also die Landschaft ist ja wie immer faszinierend. Aber schade das der eine noch vor dem Hahnenkampf gefahren ist. Da hätte man so toll wetten können :-D Bist du dir bei dem Asiaten auch sicher das er dich "und" den See fotografiert hat? Oh und ich hab das Geheimnis auf Bild 2 entdeckt.....und bin irgendwie nicht stolz darauf. Aber interessanter wäre zu wissen.....wie hast du es entdeckt? Und jetzt sag nicht da stand ein Schild! :-D Und zum runden Abschluß ein Duckface Foto. Alle motzen immer über so was aber ich find es putzig. Aber was den Engländer angeht, ich muss echt sagen, das berührt einen schon beim lesen. Faszinierend und schlimm zu gleich. :-( Weiß gar nicht was ich dazu schreiben soll. Toller Beitrag Nessi!

Mama

about 10 Jahren ago Antworten

Mensch,wow und nochmals wow. Kein Wunder, dass du hier bei uns sagst, das bisschen Natur. Kann ich jetzt immer mehr verstehen.Dieses Land ist eine Wucht, mal muß manchmal die Luft anhalten, so beeindruckt sie einen. Da kann man sich die Seele aus dem Leib laufen. Das Wasser hat Farben, die kann man auf einer Malerpalette nicht alle finden.Ich wäre gerne dabei gewesen. Der Gletscher siehr schon bedrohlich aus, aber er sieht auch riesig und majestätisch aus. Mit dem alten Mann, dessen Geschichte er dir erzählt hat, tut mir sehr leid. Aber sehr agil war er. Schön, dass du viele Menschen getroffen hast, die dich berührt haben. Hdgdl.Mama

Big Sis Sani

about 10 Jahren ago Antworten

Mensch, immer dieser Schwanzvergleich bei den Kommentaren... (das zum Thema Bild 2 :-D). Aber der Bericht ist wieder total toll und die Bilder so schön. Zum Thema Tiere sage ich heute mal nichts... Naja, aber denken kannst du es dir ja 0:-D Finde es übrigens echt interessant, was du da alles für Leute getroffen hast. Und ich mag die Farben in Neuseeland sooo gerne. Für jemanden der blau mag, ist das echt ein Fest :-D Sodale, und nu hau in die Tasten. Christchurch erwartet uns. Und ich freue mich drauf :-D

Lieblings-Pfeife

about 10 Jahren ago Antworten

Bei dem Thema "eine Stunde angegeben, zwei Stunden gebraucht" musste ich erstmal lachen. Mir ging das in 2012 in Schottland so. Im Reiseführer stand, für die "Road to the isles" sollte man so 45 Minuten einplanen... Schlussendlich haben wir dann fast anderthalb Stunden gebraucht... *hüstel*

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